ILSE HAIDER
„le circuit heroesque“
29. 4. - 3. 6. 2015
Exhibition´s View, Ilse Haider "le circuit héroesque", Galerie Steinek, 2015
Exhibition´s View, Ilse Haider "le circuit héroesque", Detail "The Pleasure of Art, its Spectators and Creators“, 2014, Galerie Steinek, 2015
Exhibition´s view, Ilse Haider "le curcuit héroesque", Mr. Big, Bar, 2012/2015, 200 x 200 x 380 cm, Galerie Steinek, 2015
Exhibition´s View, Ilse Haider "le circuit héroesque", "Scènes héroesques", Galerie Steinek, 2015
Ilse Haider präsentiert mit der Ausstellung le circuit heroesque in der Galerie Steinek neue Arbeiten, die sich nicht nur an der Schnittstelle zwischen Fotografie und Skulptur ansiedeln, sondern die peripatetische Wahrnehmung des Betrachters einfordern.
Was im öffentlichen Raum Momente der Irritation zu generieren vermag, unterwirft sich in den geschlossenen Räumlichkeiten von Galerien und Museen einer wesentlich geschützteren Wahrnehmung. Die überdimensionale, begehbare Fotoskulptur eines nackten Mannes wurde im Herbst 2012 zu einem solchen Objekt der Aufmerksamkeit: Mr. Big verwies nicht nur auf die Ausstellung Nackte Männer im Museum Leopold, sondern wurde zu einem Paradigma kultureller Konstruktionen von Identitäten und Geschlechterrollen. Der Name selbst referiert dabei auf ein Paradebeispiel jener Männlichkeitskonstruktion: Mr. Big, der überaus begehrenswerte Charakter aus Sex and the City, der nicht nur selbstbezogen sondern stets unnahbar erscheint. Das Überdimensionale erhebt die Skulptur zu einem Topos der Männlichkeit. Doch was passiert, wenn man die Arbeit um ihre Fläche und ihre Zurschaustellung beraubt? Wie funktioniert die Übersetzung eines 900 x 300 x 420 cm Kolosses in die doch eher begrenzenden Räumlichkeiten einer Galerie?
Ilse Haider unterwirft ihren persönlichen Superhelden Mr. Big neuen Normierungsvorstellungen, die sich nicht durch eben jene Geschlechtsspezifität charakterisieren, sondern materiell, handwerklich und funktional motiviert sind. Mr. Big wird in seine Einzelteile zerlegt und zersägt, um im Raum einen neuen Raum zu generieren. Das Begehrenswerte wird damit zur Basis und Hülle eines Ortes der Kommunikation: Die Rohversion einer Küche. In intimer Atmosphäre wird suggeriert, wo künftig Lebensmittel angerichtet werden, visuell darauf verwiesen, wo das Leben stattfindet oder sogar Leben „gespendet wird“. Die Funktionalität überlässt Haider ihrem künftigen Besitzer, sodass eine reale Nutzung mit Geräten und weiteren Regalen durchaus wünschenswert ist. Einige Teile werden von Mr. Big permanent separiert, finden als Regale einen Platz woanders.
Mr. Big wurde recycelt.
Recycelt werden in der Ausstellung auch andere Heldinnen und Helden, die sich vielleicht nicht alle durch heldenhafte Taten per se charakterisieren, doch zu Ikonen der Moderne oder Gegenwart erhoben wurden. Es sind Porträts von Persönlichkeiten, die vielfach im Bildkreislauf unserer Zeit eingebunden sind, vielfach zitiert werden, und dennoch authentisch sind: Von Jeanne d’Arc über Marlene Dietrich bis hin zu Andy Warhol. Tatsächlich ist unserer Gesellschaft eine Ambivalenz eingeschrieben, die sich nicht nur durch den Wunsch nach mehr Authentizität charakterisiert, sondern zeitgleich eine stetige Zunahme an Idealisierungen verzeichnet. Eine Ambivalenz, auf die Ilse Haider mit ihrem Mr. Big bereits verwies, indem sie die kulturelle Konstruktion der Männlichkeit kritisierte. „Le circuit heroesque“ thematisiert die Widerkehr, das Recycling des Heroischen, des heroesquen – ein von Haider entwickelter, persiflierender Kunstbegriff – auf formaler wie auch motivischer Ebene und verweist zeitgleich auf diese gegenwärtige Ambivalenz.
Nacktszenen aus der Kunstgeschichte werden zum authentischen Motiv, gepaart mit Idealisierungen aus bekannten Hochglanzmagazinen. Die Übersetzung der Fotografie in die Skulptur erfolgt durch das Auftragen von Fotoemulsion auf Holz. Doch definieren sich die Arbeiten von Haider vor allem durch ihre Oberflächenstruktur: Peddigrohr oder – wie in den neuesten Arbeiten – wellenartig geschnitztes Holz, scheinbar überdimensionale Holzschnitte. Der Grund der Arbeit mit seiner Struktur wird zu einer Herausforderung des Sehvorganges, zu einem Spiel zwischen Eindeutig- und Zweideutigkeit. Die Fotoskulpturen lassen sich von keinem fixierten Standpunkt aus als Ganzes erfassen, vielmehr erfordern sie einen Betrachter, der sich durch den Raum bewegt: von links nach rechts, von Nähe zu Distanz, oder in deren Kombination. Eine peripatetische Wahrnehmung, durch die der Betrachter sich ständig in Bewegung befindet, die Skulptur sich permanent verändert, mal das Motiv an sich und mal die Struktur der Arbeit freigelegt wird.
Die wellenartige Struktur der Arbeiten verweist auf die im Titel angedeutete Wiederkehr; der Kreislauf der Wellen kennt keinen Anfang und kein Ende, wird damit selbst fast schon zu einem heroesquen Element der Arbeiten. Ebenso wie Säulen, die als architektonisches Element stark an den Begriff der Idealisierung gebunden sind und in der Ausstellung selbst mit authentischen Porträts versehen werden.
Text von Sabrina Möller